Ratsfreischule Leipzig: Die erste städtische Volksschule für mittellose Kinder

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Ratsfreischule Leipzig: Die erste städtische Volksschule für mittellose Kinder

Gründung und Bedeutung

Die Ratsfreischule war die erste städtische Volksschule in Leipzig, die speziell für Kinder mittelloser Eltern gegründet wurde und diese ohne Schulgeld unterrichtete. Sie war unabhängig von privater Wohltätigkeit und setzte einen wichtigen Meilenstein in der Bildungslandschaft der Stadt. Die Schule wurde auf Initiative des Bürgermeisters Carl Wilhelm Müller und des Superintendenten Johann Georg Rosenmüller gegründet und am 16. April 1792 eröffnet. Carl Wilhelm Müller übernahm die Rolle des Vorstehers der Schule, während Karl Gottlieb Plato zum ersten Direktor ernannt wurde. Die Schule startete mit 171 Schülern.

Die Ratsfreischule in Leipzig zwischen Thomaskirche und Pleißenburg um 1850 / Public Domain
Die Ratsfreischule in Leipzig zwischen Thomaskirche und Pleißenburg um 1850 / Public Domain

Entwicklung und Standortwechsel

Ursprünglich befand sich die Ratsfreischule in ehemaligen Mannschaftsunterkünften neben der Pleißenburg, die seit 1764 nicht mehr als sächsische Festung genutzt wurde. Diese Gebäude boten ausreichend Platz für die drei Klassen, in denen Jungen und Mädchen im Alter von 7 bis 13 Jahren unterrichtet wurden. Die anliegende Gasse erhielt den Namen Schulgasse, der 1876 in Schulstraße und im Jahr 2000 in Ratsfreischulstraße geändert wurde.

Unter der Leitung von Karl Gottlieb Plato und später Johann Christian Dolz, der ab 1800 als stellvertretender Direktor tätig war, erlangte die Schule einen ausgezeichneten Ruf. Die Qualität der Bildung und die strikte Disziplin führten dazu, dass auch wohlhabendere Eltern ihre Kinder in der Ratsfreischule anmelden wollten, da diese als besser angesehen wurde als viele private Schulen.

Die Ratsfreischule Leipzig an ihrem ersten Standort an der Schulgasse 1860 / Public Domain
Die Ratsfreischule Leipzig an ihrem ersten Standort an der Schulgasse 1860 / Public Domain

Weiterführung und Standortwechsel

Nach dem Tod von Karl Gottlieb Plato übernahm Johann Christian Dolz die Direktion von 1833 bis 1843. In späteren Jahren, ab 1871 bis zu seinem Tod 1878, war Louis Thomas Direktor der Schule.

Die Ratsfreischule blieb bis 1852 an ihrem ursprünglichen Standort in der Schulgasse. Danach wechselte sie mehrfach den Standort:

  • 1852–1871: Nordseite des Thomaskirchhofs neben der ehemaligen Superintendentur und der Küsterei der Thomaskirche. Später nutzte die Städtische Fortbildungsschule für Mädchen dieses Gebäude.
  • 1871–1905: Zöllnerstraße 3 am Rosental (heute Emil-Fuchs-Straße). In dieser Zeit wurde die Schule zur „Vereinigten Rats- und Wendlerschen Freischule“.
  • Ab 1905: Lessingstraße, als „Vereinigte Freischule“ (Annen-Schule). Das Schulgebäude, das 1865 erbaut wurde, ist das älteste noch in Betrieb befindliche Schulgebäude Leipzigs und dient heute als Lessing-Grundschule.
Schulgebäude am Thomaskirchhof, bis 1871 Standort der Ratsfreischule Leipzig / Public Domain
Schulgebäude am Thomaskirchhof, bis 1871 Standort der Ratsfreischule Leipzig / Public Domain

Gedenken und Vermächtnis

Zum 100-jährigen Bestehen der Ratsfreischule wurde in der Nähe ihres ersten Standorts, am Dittrichring an der Einmündung zur Ratsfreischulstraße, ein Denkmal für die ersten beiden Direktoren der Schule, das Plato-Dolz-Denkmal, errichtet. Dieses Denkmal erinnert an den bedeutenden Beitrag der Schule zur Bildungsgeschichte Leipzigs.

Private Freischulen und Integration

Vor der Gründung der Ratsfreischule gab es bereits private Freischulen in Leipzig, die ähnliche Ziele verfolgten. Eine der ersten war die Hohenthalsche Frey- und Armenschule, die 1774 von Peter Graf von Hohenthal-Königsbrück vor der Hallischen Pforte für 60 Kinder errichtet wurde. Eine weitere bedeutende Einrichtung war die Wendlersche Armenfreyschule, die 1787 von dem Nürnberger Buchhändler Johann Wendler vor dem Grimmaischen Tor an der Ecke Johannisgasse gegründet wurde. Auch sie bot 60 Kindern kostenlosen Unterricht an. Später wurde die Wendlersche Schule mit der Ratsfreischule vereinigt, wodurch die Schule weiter an Bedeutung gewann.

Die Ratsfreischule Leipzig an ihrem Standort am Rosental um 1870 / Public Domain
Die Ratsfreischule Leipzig an ihrem Standort am Rosental um 1870 / Public Domain
Die Annenschule, Standort der Ratsfreischule Leipzig ab 1905 / Public Domain
Die Annenschule, Standort der Ratsfreischule Leipzig ab 1905 / Public Domain

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