Warenhaus Ury: Ein Leipziger Traditionshaus
Das Warenhaus Ury (offiziell Warenhaus Ury Gebrüder) war eine bedeutende Einkaufsstätte in Leipzig, die von 1896 bis 1941 bestand. Gegründet von den jüdischen Brüdern Moritz und Julius Ury, entwickelte es sich zu einer der bekanntesten Kaufhäuser der Stadt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude zerstört.
Lage und Beschreibung
Das Warenhaus Ury befand sich zentrumsnah an der Westseite des Königsplatzes (heutiger Wilhelm-Leuschner-Platz) in Leipzig und trug die Hausnummern 15/16. Rechts angrenzend verlief die Nonnenmühlgasse.
Das fünfgeschossige Gebäude wurde im Reformstil errichtet. Die Schaufenster im Erdgeschoss waren großflächig, darüber folgte die erste Etage mit breiten Rundbogenfenstern und dekorativem Bauschmuck. Die Fenster der übrigen Etagen waren schmaler und in neunzehn Achsen zur Platzseite und neun Achsen zur Nonnenmühlgasse angeordnet. Die Fensterzwischenräume waren durch flache, kannelierte Lisenen gegliedert, die an ihrem oberen Ende jeweils eine Bogenlampe trugen. Über dem Traufgesims erhob sich ein gestuftes Walmdach mit einer Reihe von Bogendach- und Fledermausgauben.
Das Geschäft erstreckte sich über mehrere Etagen, wobei jede Abteilung einem anderen Produktsortiment gewidmet war:
- Erdgeschoss und 1. Obergeschoss: Textilien
- Obergeschoss: Kinder- und Lederwaren
- Obergeschoss: Glas- und Emaillewaren
- Obergeschoss: Lebensmittel
Gründung und Aufstieg
Die Brüder Moritz (1872–1939) und Julius Ury (1873–1940) stammten aus Birnbaum in der Provinz Posen und kamen 1896 nach Leipzig. Am 4. März 1896 eröffneten sie ihr erstes Warenhaus im Erdgeschoss des Café Royal am Königsplatz 15, das erste seiner Art in Leipzig. Ihr Motto, „Kleine Preise bei großer Auswahl und zuvorkommender Bedienung“, fand großen Anklang. 1906 konnten die Verkaufsflächen aufgrund des Erfolgs erweitert werden.
Das Geschäft expandierte weiter, und 1914 beauftragten die Brüder den Leipziger Architekten Emil Franz Hänsel (1870–1943) mit einem umfassenden Umbau des Gebäudes. Dabei wurde das benachbarte Grundstück (ehemals Hotel „Münchner Hof“) integriert. Die erweiterte Fassade bewahrte die Grundstruktur des ursprünglichen Hauses, das Nachbargrundstück wurde durch zwei zusätzliche Lisenen abgetrennt.
Bereits 1924 zählte das Unternehmen 400 Mitarbeiter, die unter vorbildlichen sozialen Bedingungen arbeiteten: Es gab drei Wochen bezahlten Urlaub, Treueprämien, Sparbücher für die Kinder der Mitarbeiter und eine Stiftung für in Not geratene Angestellte.
Arisierung und Zerstörung
1928 wandelten die Gebrüder Ury ihr Unternehmen in eine Aktiengesellschaft um, zu der weitere Warenhäuser in Sachsen, Thüringen und dem heutigen Sachsen-Anhalt gehörten. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 begann jedoch die Arisierung des Unternehmens. Die jüdischen Gründer und Eigentümer, darunter Moritz Urys Sohn Walter, wurden schrittweise aus der Geschäftsführung verdrängt.
Moritz Ury und seine Frau Selma emigrierten 1937 in die Schweiz. Sein Bruder Julius zog nach Frankreich, wo beide Brüder bis 1940 starben. Im Rahmen der „Arisierung“ wurde das Leipziger Warenhaus 1941 liquidiert und in das Reichsmessetextilhaus umgewandelt. Während des Novemberpogroms 1938 war das Warenhaus ebenfalls Ziel von Angriffen, als die Nationalsozialisten Feuer legten.
Das Gebäude wurde am 4. Dezember 1943 bei einem Luftangriff auf Leipzig zerstört. Nach dem Krieg blieben die Trümmer lange Zeit ungenutzt. Erst 2023 wurde eine Baugenehmigung für den neuen Gebäudekomplex „Urbanum 1“ auf dem Gelände erteilt, der Wohnungen, Büroflächen und Einzelhandelsgeschäfte umfassen soll. Der Baustart ist für 2024 geplant.
Das Zwickauer Ury-Kaufhaus und der Schocken-Konzern
Neben ihrem Warenhaus in Leipzig betrieben die Brüder Ury auch ein weiteres in Zwickau. Dieses Geschäft übernahm am 18. März 1901 Simon Schocken, der später Schwiegersohn von Moritz Ury wurde. Er führte das Kaufhaus ab 1906 allein weiter. Gemeinsam mit seinem Bruder Salman baute Simon Schocken daraus einen der größten Warenhaus-Konzerne der Weimarer Republik auf, den Schocken-Konzern.
Fazit
Das Warenhaus Ury war nicht nur ein bedeutendes Handelsunternehmen in Leipzig, sondern auch ein Symbol für den unternehmerischen Erfolg jüdischer Geschäftsleute in der Stadt. Es war für seine soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern und seine innovative Geschäftspolitik bekannt. Die „Arisierung“ und Zerstörung im Zweiten Weltkrieg markierten das tragische Ende dieser Geschichte, doch die Erinnerung an das Warenhaus Ury bleibt als Teil des Leipziger Erbes lebendig.