Deutrichs Hof: Ein Durchgangshof in Leipzigs Geschichte
Deutrichs Hof war ein historischer Durchgangshof in Leipzig, der sich zwischen der Reichsstraße und der Nikolaistraße erstreckte. Mit seinen repräsentativen Bauten an beiden Enden war er ein bedeutendes Bauwerk, das teilweise im Zweiten Weltkrieg zerstört und später vollständig beseitigt wurde.

Lage und Architektur
Das Grundstück von Deutrichs Hof erstreckte sich als schmaler, etwa 80 Meter langer Streifen zwischen den Häusern Reichsstraße 8 und Nikolaistraße 13, parallel zum Schuhmachergäßchen. Die Architektur des Hofes war geprägt durch die Bauten an den beiden Enden des Hofs. Der Kopfbau an der Reichsstraße war ein dreistöckiges Gebäude im Stil der Spätrenaissance. Es besaß einen markanten Kastenerker und einen verzierten Treppengiebel, was ihm eine besondere Bedeutung verlieh. Ein ähnlicher Bau stand ursprünglich an der Nikolaistraße, wurde jedoch 1896 durch ein neoklassizistisches Gebäude ersetzt.
Der eigentliche Hof war von schmalen, niedrigeren Bauten flankiert, die stellenweise Laubengänge aufwiesen. Reste einer verzierten Holzkonstruktion aus dem Jahr 1670, die der Kunsthistoriker Cornelius Gurlitt entdeckte, gaben dem Hof eine weitere historische Dimension.

Historische Bedeutung
Die erste Erwähnung der Bebauung des Grundstücks stammt aus dem 17. Jahrhundert. Hier errichtete der aus Lindau stammende Andreas Egger ein Gebäude im Stil der Spätrenaissance an der Reichsstraße. Dieser Bau war das erste größere Bürgerhaus, das in Leipzig nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges errichtet wurde. Im 18. Jahrhundert ging das Anwesen in den Besitz der Handelsfamilie Richter über, die durch den Blauwarenhandel zu Reichtum gelangt war. Johann Christoph und Johann Zacharias Richter, zwei bedeutende Mitglieder dieser Familie, prägten das Leipziger Wirtschaftsleben.
1797 erwarb die Familie Deutrich das Grundstück, zu deren bekanntesten Mitgliedern der spätere Leipziger Bürgermeister Christian Adolf Deutrich gehörte. Die Familie blieb bis 1889 im Besitz des Hofes. Danach wurde das angrenzende Grundstück in der Nikolaistraße 11 hinzugekauft und über beide Grundstücke ein neuer Bau errichtet.

Zerstörung und Abriss
Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau an der Nikolaistraße vollständig zerstört. Das Gebäude an der Reichsstraße erlitt Schäden, blieb aber weiterhin in Nutzung. Besonders bekannt war die Büchsenmacherei Waffen-Moritz, die dort ansässig war. Das benachbarte Riquet-Haus wurde nach dem Krieg saniert, während Deutrichs Hof 1968 abgerissen wurde.
In der DDR-Zeit entstand auf dem Nikolaistraßenteil des Grundstücks ein Bürohaus, das später durch ein Hotel ersetzt wurde. Das Gelände an der Reichsstraße hingegen blieb unbebaut und wird bis heute als Parkplatz genutzt, da Investitionsbemühungen für eine Neugestaltung bislang scheiterten.

Geplante Rekonstruktionen
Bereits auf der Bauausstellung der DDR im Jahr 1987 waren Pläne für eine Fassadenrekonstruktion von Deutrichs Hof samt Lückenschließungen an der Reichsstraße und am Schuhmachergäßchen vorgestellt worden. Auch eine Passage von der Reichsstraße zum Nikolaikirchhof war in Planung, jedoch wurden diese Vorhaben nicht umgesetzt.

Fazit
Deutrichs Hof war ein bedeutendes historisches Bauwerk in Leipzig, das die Entwicklung der Stadt durch mehrere Jahrhunderte begleitete. Trotz seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg bleibt seine Geschichte ein Beispiel für den Wandel der Stadtarchitektur und den Verlust wichtiger Kulturerbe-Stätten. Heute erinnert nur noch die leere Fläche an der Reichsstraße an die einstige Pracht des Deutrichs Hofs.
