Georgenhalle in Leipzig: Geschichte eines städtischen Gebäudekomplexes
Die Georgenhalle war ein bedeutender Gebäudekomplex in Leipzig, gelegen an der Goethestraße, zwischen der Ritterstraße im Süden und dem Brühl im Norden. Sie diente in verschiedenen Epochen unterschiedlichen Zwecken und wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.
Entstehung und frühe Nutzung
Die Geschichte des Areals reicht bis ins Jahr 1416 zurück, als am östlichen Ende des Brühls das Frauenkolleg der Universität Leipzig gegründet wurde. Es trug den offiziellen Namen „Collegium Beatae Mariae Virginis“ und war nach der benachbarten Marienkapelle benannt . In den 1850er-Jahren erwarb der Rat der Stadt das Kolleg und angrenzende Gebäude, um dort eine neue Stätte für die Fleischbänke, die zuvor in der Reichsstraße angesiedelt waren, zu schaffen.
Im Jahr 1857 wurde schließlich der vierstöckige klassizistische Bau der Georgenhalle eingeweiht. Das Erdgeschoss war vor allem für den Fleischverkauf bestimmt. Der Name des Gebäudes bezog sich auf das in der Nähe gelegene Georgenhaus, eine ebenfalls wichtige städtische Einrichtung. Der damalige Bürgermeister Koch wurde indirekt geehrt, als eine Zeichnung die Baugrube der Georgenhalle als „Koch-Loch“ betitelte, da diese lange unbebaut blieb .
Das Reichsgericht und die weitere Nutzung
Für 16 Jahre, von 1879 bis 1895, diente die Georgenhalle als Sitz des neu gegründeten Reichsgerichts. Erst nach dem Umzug des Reichsgerichts in seinen prunkvollen Neubau in der Südwestvorstadt fand das Gebäude eine neue Nutzung. Ab diesem Zeitpunkt wurde es von den Stadtwerken Leipzig genutzt.
Ein weiteres Kapitel in der Geschichte der Georgenhalle begann 1875, als im Gebäude ein Caféhaus eröffnet wurde, das den Namen „Fürst Reichskanzler“ trug – eine Hommage an Otto von Bismarck, der im selben Jahr Ehrenbürger von Leipzig geworden war. Ernst Fischer, der spätere Besitzer des bekannten Café Corso, betrieb ab 1912 ein Lesecafé in der Georgenhalle, das über 200 in- und ausländische Zeitungen anbot und damit ein beliebter Treffpunkt für Leser und Intellektuelle war .
Zerstörung und Folgebauten
Am 4. Dezember 1943 fiel die Georgenhalle einem verheerenden Bombenangriff auf Leipzig zum Opfer. Die Ruine wurde nicht wieder aufgebaut, und das Grundstück blieb viele Jahre unbebaut.
Erst 1964/65 wurde an gleicher Stelle ein neues Verwaltungsgebäude für den VEB Chemieanlagenbau errichtet. Der siebenstöckige Zweiflügelbau mit roter Glasfassade erstreckte sich längs der Goethestraße und des Brühls.
Im Sommer 2008 verkaufte die Stadt Leipzig das Gelände, und das Verwaltungsgebäude wurde abgerissen. Geplant war der Bau eines Büro- und Wohnkomplexes mit mindestens 25.000 Quadratmetern Grundfläche. Diese Pläne wurden jedoch 2015 aufgegeben, als die Unister Holding GmbH, die das Projekt ursprünglich vorangetrieben hatte, beschloss, auf den Bau eines neuen Unternehmenssitzes zu verzichten .
Fazit
Die Georgenhalle war über Jahrzehnte ein zentraler städtischer Ort in Leipzig, der nicht nur wirtschaftliche, sondern auch kulturelle und juristische Bedeutung hatte. Ihre Zerstörung im Zweiten Weltkrieg und die spätere Umgestaltung des Geländes verdeutlichen die tiefgreifenden Veränderungen, die Leipzig im 20. Jahrhundert durchlebte.