Stieglitzens Hof in Leipzig: Ein bedeutender Gebäudekomplex im Wandel der Zeit
Stieglitzens Hof war ein historischer Gebäudekomplex in Leipzig, der über 200 Jahre lang das Stadtbild prägte. Vom Markt bis zur Klostergasse erstreckte sich dieser Bau, der bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle im städtischen Leben spielte.
Geschichte von Stieglitzens Hof
Ursprünge und Baugeschichte
Im Jahr 1615/1616 vereinte der Leipziger Handelsherr und Baumeister Johann Rothaupt zwei ältere Bürgerhöfe auf der westlichen Seite des Marktes und errichtete daraufhin Rothaupts Hof. Später erwarb der Ratsherr, Stadtbaumeister und spätere Bürgermeister Christian Ludwig Stieglitz dieses Anwesen und verband es mit einem weiteren Grundstück, das sich an der Klostergasse befand. So entstand ein Durchgangshof, der unter dem Namen Stieglitzens Hof bekannt wurde.
Im Jahr 1733 ließ Stieglitz das dem Markt zugewandte Vorderhaus im Stil der späten Renaissance neu errichten. Das fünfstöckige Gebäude zeichnete sich durch eine Fassade mit 13 Fensterachsen aus, die bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erhalten blieb. Besonders hervorzuheben war das Tonnengewölbe im Hausflur sowie der hohe Treppenturm auf der Hofseite, der mit einer Haube und einer Laterne ausgestattet war. Das Hinterhaus an der Klostergasse, das zwölf Fenster breit war, galt als „von neuerer Bauart“.
Nutzung und Bedeutung
Stieglitzens Hof diente nicht nur als Wohn- und Geschäftshaus, sondern auch als Veranstaltungsort. In den Anfängen des Theaterspiels in Leipzig wurde ein Saal in Stieglitzens Hof genutzt. Darüber hinaus erwirtschaftete das Gebäude beträchtliche Einnahmen durch Vermietungen während der Leipziger Messen. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig im Jahr 1813 logierten der preußische König Friedrich Wilhelm III. und der schwedische Kronprinz Karl Johann mehrere Tage in Stieglitzens Hof, was dem Gebäude zusätzliche historische Bedeutung verlieh.
Veränderungen im 19. Jahrhundert
Im Jahr 1894 wurde das historische Gebäude am Markt abgerissen und durch einen Neubau im Stil des Historismus ersetzt. Dieser fünfstöckige Bau wurde vom Leipziger Architekten Ottomar Jummel entworfen und parallel zum benachbarten Bismarckhaus errichtet, an dessen Gestaltung er sich anlehnte. Das Dach des neuen Gebäudes trug drei breite, verzierte Giebelgauben, von denen die mittlere einen Turmaufbau mit offener Laterne aufwies.
Zerstörung und Nachkriegszeit
Stieglitzens Hof wurde beim Bombenangriff am 4. Dezember 1943 während des Zweiten Weltkriegs zerstört. Das Gelände blieb jahrelang unbebaut, bis in den Jahren 1963 bis 1965 ein siebenstöckiges Mehrzweckgebäude auf dem Areal und den angrenzenden Grundstücken errichtet wurde. In dieses Gebäude zog unter anderem das Leipziger Messeamt ein.
Die Marktgalerie: Ein moderner Nachfolger
Im Sommer 2001 wurde das Messeamtsgebäude abgerissen, und an seiner Stelle entstand die Marktgalerie, ein modernes Wohn- und Geschäftshaus mit verschiedenen Fassaden zum Markt. Der Bereich um den Eingang zum Kaufhaus Breuninger und den Passageneingang entspricht heute in etwa der Lage des historischen Stieglitzens Hof.
Fazit
Stieglitzens Hof war über zwei Jahrhunderte hinweg ein bedeutender Teil des Leipziger Stadtbildes. Von seiner Errichtung im frühen 17. Jahrhundert bis zu seiner Zerstörung im Zweiten Weltkrieg diente der Gebäudekomplex als Wohn-, Geschäfts- und Veranstaltungsort. Auch wenn das Gebäude nicht mehr existiert, lebt sein Erbe in der heutigen Marktgalerie weiter, die an seiner Stelle erbaut wurde und das moderne Gesicht des Leipziger Marktes prägt.