Steuern in Leipzig
Das rote Tuch! Wenn du den Staat beschummeln kannst, so danke Gott und sei zufrieden!
Im übrigen zahle deine Steuern gern; denn du hast einen Landtag, mit dem du zufrieden sein kannst, du erlebst vielleicht noch den Zentralbahnhof, der sogar praktisch sein soll, du hast Kehr- und Sprengwagen, die den Staub in die Fenster wirbeln, du hast ab und zu saubere Hausecken, du hast straßenreine Pferde — oder besser
„pferdereine“ Straßen, du findest Streusand auf den Fußwegen, der des Schusters Freude ist, du hast eine Polizei, die den intelligentesten Bettler erwischt, du wirst vor dem Anblick von Massenspaziergängen bewahrt, du wirst kostenlos behandelt, wenn du an Konservenvergiftung erkrankt bist, du hast an jedem kirchlichen Festtag Anspruch auf eine Originalpredigt, du darfst selbst den Schreiber des Oberbürgermeisters vom Bürgersteig weisen lassen, wenn er mit seinen Kollegen die Passage versperrt, du brauchst dir den Kosenamen „Leipziger
Gosenphilister“ nicht gefallen zu lassen.
Sag’s dem Staatsanwalt und er erhebt Anklage „im öffentlichen Interesse“.
Aus dem Buch
Leipzig und die Leipziger Leute, Dinge, Sitten, Winke, 1906